Was die Wirtschaftskrise für die Zukunft der deutschen Start-Ups bedeutet

Marius Lüden hat sich auf eine Reise durch die Republik begeben, um herauszufinden, wie die deutsche Gründerszene mit der aktuellen Krise umgeht. Eine Reportage über Entschlossenheit, Trotz und Erfindergeist.
– Ein Text von Marius Lüden –
Für die deutsche Start-Up-Szene bleibt die Lage weiterhin angespannt. Eine Analyse der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft YE (Young & Ernst) zeigt nun, was Brancheninsidern bereits lange klar war: Die Bereitschaft, Risikokapital in junge Unternehmen zu investieren, ging 2023 erneut zurück. Insgesamt lag der Rückgang bei mehr als einem Drittel im Vergleich zum Vorjahr. „Für uns ist das mehr als bitter. Wir wollen heute die Geschäftsmodelle von morgen entwickeln, aber die Geldpolitik der EZB und das schwierige wirtschaftliche Umfeld nehmen uns die Luft zum Atmen“ so Pascal Mahler, Gründer eines Fahrradkurierdienstes für Lebensmittel aus Bonn, in einem Hintergrundgespräch „hinzu kommt der Fachkräftemangel, der die Gehaltsvorstellungen junger Arbeitskräfte unverhältnismäßig in die Höhe treibt!“ Mahler ist nur einer unter vielen Gründern, der sich im rauen Fahrwasser der aktuellen wirtschaftlichen Lage behaupten muss. Wie meistern Macher wie er die aktuelle Lage?
Ortsbesichtigung in Henstedt-Ulzburg bei Hamburg. Ich treffe Anton Rust – Lederjacke, Dreitagebart, beiger Beanie – vor einer Bowling-Halle im Gewerbegebiet. Gleich nebenan hat er sich zusammen mit seiner Partnerin ein kleines Studio gemietet. „Make It Sparkle!“ steht in blauen Lettern auf dem Klingelschild. „Wir haben uns nicht weniger vorgenommen als den Getränkemarkt zu revolutionieren“ erklärt Rust, nachdem er auf einem der drei Hockern an der selbst gebauten Bar Platz genommen hat. „In den letzten Jahren ist es bei Erfrischungs- und Heißgetränken praktisch zu keiner nennenswerten Innovation gekommen. Die Branche tritt auf der Stelle und das spüren die Kund*innen“, betont Rust, „mit Make It Sparkle wollen wir einen neuen Schritt wagen! Deutschland wird international sehr für seine kohlensäurehaltigen Getränke geschätzt. Sparkling Water macht einfach mehr her als stilles Wasser.“ Rust trinkt einen Schluck Tee und fährt fort: „Wir haben uns gefragt: Warum hier nicht weiterdenken? Warum sollte nur Wasser und Champagner prickeln? Wie können wir das Leben für alle prickelnder machen?“ Rust nimmt einen weiteren Schluck seines leiste knisternden Tees. „Unser Kronjuwel wird der Sparkleccino sein, aber auch Kaffee lässt sich wunderbar mit Sparkle trinken! Aktuell haben wir noch das Problem, dass die Milch in Verbindung mit der Kohlensäure zu flocken beginnt, das sieht man aber kaum. Ein guter Sparkleccino wird ohnehin mit viel Schaum serviert. Wir arbeiten gerade aber mit Hochdruck an einer noch besseren Lösung, um unsere Produkte zur vollen Marktreife zu bringen“. Rust wird nachdenklich, wenn er an die gegenwärtige Wirtschaftslage blickt. „Es ist bedauerlich, dass die Investor*innen sich aktuell scheuen, in neue Ideen zu investieren“ konstatiert Rust, lässt sich seinen Zweckoptimismus aber nicht nehmen: „Wir werden versuchen, verstärkt um internationales Kapital zu werben. Wir haben keine Lust mehr auf German Angst!“
Szenenwechsel. Elisa Heine und Martin Wornisch sind mir per Videocall zugeschaltet. Die beiden Wahlkarlsruher strahlen förmlich in die Kamera. Im Hintergrund sind eine Monsteraplanze und ein großformatiges Ralph-Ruthe-Poster zu erkennen. Bei den beiden Gründern ist von Frust keine Spur, obwohl auch sie in der letzten Finanzierungsrunde leer ausgegangen sind. „Wir werden uns noch stärker reinhängen müssen“ so Heine. „Gründen heißt immer die Extrameile zu gehen – auch wenn dir Steine in den Weg gerollt werden“ so Wornisch. Der Jungunternehmer bedient sich immer wieder an Sprachbildern aus der Welt der Mobilität, er spricht von „den Turbo zünden“, „Vollgas geben“ und „etwa bewegen“. Das darf nicht verwunden, schließlich arbeiten die beiden an einem Konzept, das die Art unserer Fortbewegung revolutionieren könnte. „Mobilität entwickelt sich, muss sich entwickeln. Die Menschen nutzen zwar jetzt schon immer häufiger öffentliche Verkehrsmittel, aber die sind noch viel zu oft keine richtige Alternative zum Auto. Mobilität muss preiswert, nachhaltig und komfortable sein, um auch in Zukunft überzeugen zu können“ erklärt Heine. „Viele Menschen ärgern sich, wenn die Busse und Bahnen – gerade während der Stoßzeiten – zu voll sind und sie keinen Sitzplatz mehr bekommen, anderen ist die Stimmung zu trostlos, wenn alle Fahrgäste wieder nur auf ihr Handy starren, anstatt miteinander ins Gespräch zu kommen“ analysiert Wornisch. Heine und Wornisch, beide Absolventen des renommierten KIT, haben in den letzten zweieinhalb Jahren Klappvorrichtungen konstruiert, die aus einer Vierer- eine Sechsersitzgruppe machen. „Ist der Vierer voll, dann kann man sich einfach zwei neue Sitze »klappen« . Man sitzt dann leicht erhöht über dem Vierer. Fast wie auf dem Schoß, aber natürlich mit einer Sitzfläche dazwischen“ witzelt Heine. „Die Vorteile liegen auf der Hand: mehr Leute haben eine Sitzgelegenheit, außerdem kommt man sich näher, kann das Handy endlich einmal beiseitelegen und sich auf seine Mitmenschen einlassen“. „Es ist eigentlich erstaunlich, dass niemand vor uns auf die Idee gekommen ist“ so Wornisch „das, und der fehlende Mut in COMMUTnEty zu investieren.“ Heine und Wornischs Beispiel zeigt eindrücklich, wie hart die aktuelle Krise Start-Ups gerade in ihrer Aufbauphase treffen kann.
Antje Berg ist mit ihrem jungen Unternehmen PetSwap bereits einen Schritt weiter. „Die Plattform, das Team, das Marketingkonzept, alles steht – aber wir brauchen jetzt die finanziellen Ressourcen, um schnell skalieren zu können. Bevor uns die Konkurrenz zuvorkommt!“ erzählt sie mir am Telefon. Das Prinzip hinter PetSwap ist schnell erklärt. Die Website bietet Tierliebhabern, die unzufrieden mit ihrem aktuellen Haustier sind, die Möglichkeit ihr Haustier unkompliziert gegen ein Haustier einzutauschen, das besser zu ihrer aktuellen Lebenssituation passt. „Die Zielgruppe von PetSwap sind insbesondere urbane Dynamics, also Menschen, die häufig umziehen, den Job oder ihre Lebenspartner*innen wechseln, sich aber trotzdem nach Verbindlichkeit sehnen. Das kann ihnen ein Haustier bieten. Gleichzeitig sollte ein Haustier aber nie zu einer Belastung werden. PetSwap macht es diesen Menschen endlich leichter ihr Leben zu leben“ so Berg. Angesprochen auf die finanzielle Situation von PetSwap wird Berg kämpferisch „Ich will nicht verheimlichen, dass auch wir um Investorengelder kämpfen müssen. Das ist aktuell wirklich schwer. Aber es geht leichter, wenn man weiß, dass sich das Kämpfen lohnt!“
[Transparenzhinweis: PetSwap ist Werbekunde von Plump & Schön. Die Redaktion ist angehalten auch über Werbekunden, möglichst anbhängig zu berichten.]
Abonnieren Sie jetzt den PLUMP & SCHÖN Newsletter und verpassen Sie keinen Artikel!
Bei Anregungen, Lob und Kritik schreiben Sie gerne an plumpundschoen@mail.de oder kontaktieren Sie uns auf Instagram und Mastodon.*
* Antwortzeiten können sich aufgrund der Personalsituation im Kundenservice erheblich verzögern.