Der Esel und das Gams

Nach externer und interner Kritik an der langen Pause unseres Ressortleiters Harald Weiser, freuen wir uns sehr, Haralds ersten Artikel des Jahres veröffentlichen zu können. Es handelt sich auch zu unserem Erstaunen um eine Fabel. Wer genau liest, wird sicher einige gegenwärtige Erkenntnisse daraus ziehen können. Viel Vergnügen!
– Ein Text von Harald Welser –
Der Esel und das Gams lebten seit ihrer Geburt in einer großen Gemeinschaft in einem kleinen Wald am Stadtrand. Sie waren wichtige Tiere für den Wald und hatten Aufgaben, die ihren Stärken entsprachen. Das Gams war klug und umsichtig. Es kümmerte sich darum, dass sich alle im Wald wohlfühlten und erinnerte sich stets daran, wann wichtige Feiertage stattzufinden hatten. Der Esel war einfältig, aber unermüdlich. Er lief umher und sorgte dafür, dass niemand im Wald verloren ging und registrierte die neuen Bewohner.
Eines Tages, als der Esel wieder einmal wild umherlief und sich Sorgen machte, dass auch ja alle Tiere im Wald in seinem großen Registerbuch eingetragen waren, traf er das Gams. Das Gams saß am Wegesrand und überlegte laut, wie es den morgigen Tag des Baumes würdig begehen könnte. Da wurde der Esel wütend: „Du liegst immer nur rum und kümmerst dich nie um die wichtigen Belange des Waldes. Wenn alle so faul wären, wie du, wäre der Wald innerhalb weniger Tage das einzige Chaos“ Weise und sachlich antwortete das Gams: „Wieso fürchtest du das Chaos Esel? Vielleicht gefällt es dir ja?“ Aber der Esel war dumm und einfältig, er empfand die Frage des Gams als Beleidigung: „Du wirst schon sehen, eines Tages wird dich unser König, der Löwe, noch verbannen und dann haben wir endlich wieder Ordnung im Wald.“ Mit diesen Worten lief er wiehernd davon.
Kurz danach kam der Sohn des Esels vorbei. Er war nicht weniger dumm als sein Vater aber ebenso umtriebig. Er bellte das Gams an: „Morgen ist Feiertag, nicht heute! Heute musst du etwas leisten, so wie mein Vater!“ Das Gams antwortet weise und sachlich: „Was bedeutet Leistung für dich kleiner Esel? Ist wild im Kreis herumlaufen auch eine Leistung?“ Der kleine Esel wusste nicht, was das Gams meinte und antwortete: „Herumliegen ist keine Leistung! Unser Wald wird verenden, wenn wir alle nur rumliegen!“ Der kleine Esel ballte die Faust und lief seinem Vater hinterher. Das Gams lächelte, denn es kannte die Wahrheit und versank in Tagträumereien.
Da kam der Löwe vorbei. Er sah das Gams herumliegen und sprach: „Liebes Gams, ich schätze dich sehr. Du bist weise und gutmütig und denkst stets an die anderen Tiere. Aber unserem Wald geht es schlecht. Die Menschen breiten sich immer mehr aus und zerstören unseren Wald. Gleichzeitig kommen immer mehr Tiere und suchen in unserem Wald ein Zuhause. Wir haben bald nicht mehr genug Platz. Ich werde morgen am Tag des Baumes eine Versammlung abhalten und dann besprechen wir, wie wir den Wald wieder in Ordnung bringen“ Da antwortete das Gams „Welche Ordnung meinst du Löwe? Die Ordnung der Tiere oder die Ordnung der Menschen?“ Der Löwe antwortete: „Ich kenne die Menschen, ihre Ordnung ist zerstörerisch, ich weiß nicht, ob wir uns daran ein Vorbild nehmen sollten.“ Das Gams lächelte milde und sprach leise: „Sollten wir nicht.“ Der Löwe nickte und verabschiedete sich „Ich erwarte dich morgen zur Besprechung liebes Gams, dein Rat ist mir teuer.“
Am nächsten Tag versammelten sich alle Tiere des Waldes auf der Lichtung vor den zwei großen Buchen. Der kleine Esel lief wild umher und zählte, ob auch alle gekommen waren. Da erschien der Löwe aus den Schatten des Waldes und sprach „Liebe Waldgemeinschaft, wie ihr wisst, leben wir in schwierigen Zeiten. Unser Wald ist schön und wertvoll und wir arbeiten gut zusammen, aber immer mehr Gefahren von außen bedrohen unsere Existenz. Es kommen immer mehr Tiere zu uns und gleichzeitig wird der Wald immer kleiner. Wer hat Ideen, wie wir den Wald retten können?“ Da preschte der Esel nach vorne „Es gibt nur eine Möglichkeit den Wald zu retten, wir müssen alle mehr arbeiten.“ Murmelnde Zustimmung durchwehte die Waldgemeinschaft. Da meldete sich der Seelöwe: „Wir alle arbeiten doch schon sehr viel, aber dem Wald geht es trotzdem immer schlechter?“ „Nicht alle arbeiten schon sehr viel“, rief da der Esel und zeigte auf das Gams: „Das Gams leistet nichts, dabei ist es gemeinsam mit mir der Stellvertreter des Königs.“ Das Gams blieb ruhig und würdevoll und fragte „Was glaubst du denn, was ich arbeiten soll lieber Esel?“ „Du könntest mithelfen beim Früchte, Gras und Pilze sammeln, damit wir alle mehr zu essen haben“ antwortete der Esel. „Lieber Esel“, erwiderte das Gams geduldig „fehlt es dir selbst an Essen?“ Der Esel schüttelte den Kopf „Mir nicht, ich bin Stellvertreter des Königs, ich habe genug, aber die anderen Tiere leiden.“ „Du könntest etwas abgeben von deinem Essen lieber Martin, dann müssten wir nicht mehr sammeln gehen.“ Doch der Esel wollte nichts abgeben und sprach: „Du lenkst ab, weil du nicht arbeiten willst. Du könntest dich auch darum kümmern, dass wir mehr Unterschlüpfe haben, viele Tiere müssen im Freien schlafen!“ Das Gams nickte und sprach: „Wir sind Tiere, wir sind es gewohnt im Freien zu schlafen, geht es dir da anders lieber Esel?“ Da errötete der Esel und rief laut: „Ich beantrage, dass das Gams arbeiten muss. Wie wir alle!“ Die anderen Tiere klatschten Beifall und nickten sich zustimmend zu, da trat der Löwe erneut hervor und sprach: „Nun gut liebe Waldgemeinschaft, wenn es euer gemeinsamer Wunsch ist, dann bestimme ich hiermit, dass das Gams arbeiten muss. Aber was soll es denn arbeiten?“ „Es könnte mir helfen, die Nüsse zu sammeln“ rief das Eichhörnchen. „Nein, es soll uns beim Dammbau unterstützen“, forderte der Bieber. „Wir brauchen noch Lehrer im Gesangsunterricht“, trällerte die Nachtigall. Da brach ein wilder Streit über die Waldgemeinschaft herein und überall hörte man laute Auseinandersetzungen darüber, wem das Gams nun als erstes helfen sollte. „RUUUUHEEE!“, brüllte der Löwe und es wurde mucksmäußchenstill. „Das Gams ist weise, es ist schlau und es ist erfahren. Wir anderen Tiere wissen nicht, wie es uns am Besten helfen kann, aber das Gams weiß es genau. Es soll darum selbst entscheiden“ Der Löwe drehte sich zum Gams: „Liebes Gams, welche Arbeit wirst du verrichten, um uns vor den Gefahren der Menschen und der anderen Tiere zu schützen?“ Da legte das Gams den Kopf auf die Seite, blickte allen Bewohnern des Waldes tief in die Augen und sprach: „Ich werde darüber nachdenken.“
PLUMP & SCHÖN weist ausdrücklich daraufhin, dass es sich bei der veröffentlichten Fabel um einen Kommentar Harald Welsers zum menschengemachten Klimawandel und der aktuellen Migrationsdebatte handelt. Parallelen zu in der PLUMP & SCHÖN Redaktion geführten Diskursen sind rein zufällig und nicht Teil der Kommentierung.
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