Schlechtester Rechtsanwalt Deutschlands ausgezeichnet

Strafverteidiger Hagen Jünger mit einer einzigartigen Erfolgsgeschichte.
– Ein Text von Jan Schulze –
Als sein Mandant Fabian B. zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt wird, treten auch bei Hagen Jünger Tränen in die Augen. Es ist vollbracht: Nach drei emotionalen Verhandlungstagen und einem ambitionierten Schlussplädoyer hat Jünger nun sein 273. Verfahren am Stück verloren. Er darf sich damit Deutschlands schlechtester Anwalt nennen. Ein geachteter Titel, den vor ihm Namensvetter Hagen Gablowitz 32 Jahre lang mit 272 verlorenen Verfahren innehatte.
Nach dem Urteilsspruch spürt man förmlich, wie die Anspannung von Jünger abfällt. Der sonst so ernsthafte Rechtsanwalt verfällt in eine fast kindliche Leichtigkeit, während er seine Unterlagen zusammenpackt. Fröhlich und munter erklärt er Fabian B., was diesen in den nächsten Jahren erwarten wird. Ausführungen, die Jünger längst nicht mehr fremd sind. Doch während die Atmossphäre nach den meisten Urteilen leider durch den Missmut der Verurteilten geprägt wird, liegt heute eine geradezu feierliche Stimmung in der Luft. Oberstaatsanwältin Schmitt, die es sich nicht hat nehmen lassen ,höchstpersönlich das Rekordverfahren zu übernehmen, ist die erste Gratulantin und dankt Jünger noch im Saal für sein Engagement.
Als Jünger das Gerichtsgebäude verlässt, warten schon Freunde und Familie auf den Juristen. Jünger lächelt verschmitzt und zeigt mit dem Daumen nach unten, da brandet Jubel auf. Man ist stolz auf „Hagi“, wie er im engsten Kreis genannt wird. Auch seine Freunde vom Musikkorps der freiwilligen Feuerwehr sind gekommen und spielen „Simply the Best“ von Tina Turner für den neuen Rekordhalter. Während im Hintergrund Fabian B. mit Handschellen ins Polizeifahrzeug beordert wird, regnet es Konfetti auf seinen Anwalt herab. Geworfen wird dieses von Landrätin Gabi Zimmermann, die sich sichtlich stolz über den Sohn des Kreises äußert: „Herr Jünger ist einer von uns und wir sind begeistert, dass er jetzt in die Geschichtsbücher eingehen wird. Ein Vorbild über die Grenzen unseres kleinen Landkreises hinaus. Ich danke aber auch den vielen loyalen Bürgerinnen und Bürgern, die sich immer wieder in Herr Jüngers vermeintlich schützende Hände begeben haben. Ohne ihre fehlende Rechts- und Menschenkenntnis wäre dieser Rekord nicht möglich gewesen!“
Jünger hatte seine Tätigkeit als Anwalt für Zivilrecht 2009 begonnen, musste aber bereits 2012 wegen zahlreicher Anwaltshaftungsfälle Privatinsolvenz anmelden. Nach einer Zwischenstation bei Schuhhaus Ritter GmbH begann 2015 Jüngers Neubeginn als Strafverteidiger. „Ich hatte zu Beginn überhaupt keine Ahnung, was ich tun musste“, lacht Jünger, während er die Vergangenheit verklärt, „ich erinnere mich an einen Fall, in dem ich die Richterin gefragt habe, auf was sie an meiner Stelle plädieren würde.“ Später sei er jedoch besser geworden: „Ich habe immer mehr richtige Anträge gestellt und die Jury mit meiner Argumentationsstrategie überzeugt. Für einen Sieg vor Gericht hat es leider nie ganz gereicht.“ Knapp war es im Jahr 2019 im Fall der Studentin Lara G. Diese hatte mit einem Messer den Hamster ihres Mitbewohners getötet. Die Beweislage gestaltete sich jedoch als so schwierig, dass die Staatsanwaltschaft während der Hauptverhandlung bereits darüber nachdachte, das Verfahren einzustellen. Erst ein äußerst unglücklicher Versprecher von Jünger führte die Ermittler zur entscheidenden Zeugin.
Auf die Frage, ob er angesichts der vielen verlorenen Verfahren absichtlich verliere, antwortet Jünger brüsk: „Nein, das entspricht nicht meiner Berufsehre. Ich will stets das Beste für meine Mandanten herausholen, aber ich habe einfach sehr oft Pech. Andere Anwälte bekommen halt auch mal Mandanten, die wirklich nichts gemacht haben. Da ist die Verteidigung dann wirklich viel leichter! Ich hatte das erst zweimal und bei beiden Malen kam es aufgrund unglücklicher Umstände doch zu einer Verurteilung.“ Das damalige Unglück hat sich am heutigen Tag in Glück gewandelt: Auch diese Fälle machten Jünger zum Rekordhalter.
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