vasO – Die Zukunft der Vase

Während in Deutschland noch die traditionelle Vase bevorzugt wird, diskutiert man in Frankreich bereits modernere Formen
– Ein Bericht von Marie Benyedder –
Wer in diesem Jahr die DesignX in Lille besuchte, der bekam eine Ahnung davon, was das Wort Möbeldesignrevolution bedeutet. Was im Vorlauf der prestigeträchtigen Designschau noch unter vorgehaltener Hand gemunkelt wurde, hat sich spätestens mit der Präsentation der „Palazzo Series“ von Hera Taraguchi bewahrheitet: Die Welt des Vasendesigns ist nun eine andere. Das Modell vasO berührt, erschreckt und verzaubert. Die vasO verfolgt mit ihrer rundlich geschwungenen, mit natürlichen Wölbungen versehenen Komplexität einen ganzheitlichen Ansatz, den Experten bereits jetzt mit dem legendären Türstopper „Bodo“ von Nicolas Hernal aus dem Jahre 1971 vergleichen. Ein Raum muss um vasO gestaltet, ein Haus um vasO gebaut, ein Leben nach vasO gelebt werden.
Taraguchis radikaler Ansatz, auf sämtliche Öffnungen zu verzichten, verwundert zunächst, da sie die Wasserzufuhr für mögliche Pflanzen scheinbar verkompliziert. Der Clou: vasO besteht in seinem Inneren aus Wasser, welches durch die fehlenden Öffnungen nicht austreten kann. Taraguchi hat sich dabei vom menschlichen Körper inspirieren lassen. „Auch der menschliche Körper besteht aus Wasser“, so die Ausnahmekünstlerin. Die geschlossene Vase ist dabei Sinnbild unserer heutigen Gesellschaft, deren autonome Strukturen Menschen immer mehr in die Einsamkeit und Verschlossenheit führen. Doch wer der Gesellschaft derart schonungslos den Spiegel vorhält, der erntet zwangsläufig auch Kritik. Gerhard Jungbauer, Vorsitzender des deutschen Floristen Bundes (dFB), kritisiert, Taraguchi werde überschätzt und die Idee, eine Vase ohne Öffnung zu kreieren, sei gar nicht so gut. Manfred Weber, CEO von Weber Aquariums, gab am Rande der Podiumsdiskussion „Fischhaltung in Zeiten der Digitalisierung“ zu bedenken, dass vasO klare Grenzen überschreite und man Taraguchi für einen derart selbstbewussten Vorstoß in „genreübergreifende Gewässer“ nicht vom Vorwurf der Arroganz freisprechen könne. Auch Beate Notz, Gewinnerin des Design Wettbewerbs „Fleur en Plastique 2009“ schießt scharf gegen die Herangehensweise Taraguchis: „vasO ist das beste Beispiel, wie in der schnelllebigen Design-Welt vermeintlich gute Ideen durch radikale Fantastereien zerschossen werden. Die Reduktion der Vase auf ihren nötigen Kern ist erstrebenswert, aber ohne Öffnung verliert man die Herzen der Menschen. vasO macht krank, ich würde fast so weit gehen zu sagen, vasO ist krank.“
Aber auf der DesigX fanden sich auch die leisen Töne. Vorjahressieger Nauro Paletto mahnt, der vasO die Ruhe zu geben, die sie benötige. Kuratorin Martha de Sanchez sprach schon in ihrer Eröffnungsrede von einem Traum, der nachdenklich macht, aber nicht so nachdenklich, dass wir aufwachen. Vielleicht hatte Sie da schon so eine Ahnung, was Taraguchi am darauf folgenden Tag präsentieren würde.
Bei Anregungen, Lob und Kritik schreiben Sie gerne an plumpundschoen@mail.de oder kontaktieren Sie uns auf Instagram und Mastodon.*
* Antwortzeiten können sich aufgrund der Personalsituation im Kundenservice erheblich verzögern.